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Rundgang in Kahla erinnert an die nationalsozialistische Bücherverbrennung von 1933

Am Sonntag fand in Kahla ein literarischer Rundgang zum Gedenken an die Bücherverbrennung vom 5. August 1933 statt. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Demokratie_laden Kahla in Kooperation mit dem Thüringer Verband der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (TVVdN-BdA).

Eingeleitet wurde der Rundgang auf dem Marktplatz – mit einem Blick auf die Stadtgeschichte und ihre zentralen Institutionen rund um das historische Zentrum. Dort befindet sich heute auch ein Büchertauschschrank, Symbol einer lebendigen Lesekultur und Möglichkeit in einen Austausch mit anderen zu kommen. In einem kurzen Dialog mit dem Publikum ging es um ganz persönliche Lesegewohnheiten: „Was lest ihr gerade? Wo lest ihr am liebsten – im Bett, im Zug, auf dem Balkon?“ Einige nahmen Bücher aus dem Schrank, andere gaben Empfehlungen weiter.

Es bestand Einigkeit: „Das Lesen von Büchern macht – trotz sozialer Medien – immer noch Spaß!“

Im Anschluss wurde der historische Kontext der Veranstaltung verdeutlicht: Die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen im Jahr 1933 waren keineswegs spontane Aktionen. Vielmehr handelte es sich um eine gezielte Kampagne gegen die Meinungsfreiheit, die in mehreren Phasen zwischen März und November – organisiert unter dem Motto „Wider den undeutschen Geist“ – stattfand. In der Konsequenz dessen wurde eine Vielzahl von Büchern auf sogenannte „Schwarze Listen“ eingetragen. Darauf zu finden waren Bücher von Autor*innen mit jüdischer Herkunft, Geschichtsbücher, marxistische und sozialistische Literatur sowie feministische und weitere Werke. Besonders bekannt ist der 10. Mai 1933, als allein in 22 Universitätsstädten öffentlich Bücher ins Feuer geworfen wurden – begleitet von Fackelzügen, Reden und nationalistischen Liedern.

Am Markt gelesen wurde Erich Kästners „Ganz rechts zu singen“. Kästner entlarvt darin in wenigen Versen, wie Sprache, Musik und Symbolik in den Dienst autoritärer und nationalistischer Ideologien gestellt werden.

Weiter führte der Weg zum Friedrich-Ebert-Denkmal, welches der Ausgangspunkt für die Bücherverbrennung am 5. August 1933 in Kahla war. Das Denkmal, das ursprünglich dem ersten demokratisch gewählten Reichspräsidenten Friedrich Ebert gewidmet war, wurde 1933 von den Nationalsozialisten ideologisch umgedeutet: Es wurde kurzerhand zum „Norkus-Denkmal“ erklärt – benannt nach dem Hitlerjungen Herbert Norkus, das als Märtyrerfigur stilisiert wurde. Ein symbolischer Akt, der die Verdrängung der Demokratie deutlich macht.

An diesem Ort lauschten die Teilnehmer*innen zwei Texten: Johannes R. Bechers „Ballade von den Dreien“ und Bertolt Brechts „Kinderhymne“.

Die Station machte deutlich, wie gezielt Geschichte instrumentalisiert wurde – und wie wichtig es ist, sich demokratische Errungenschaften bewusst zu machen und zu verteidigen. Zwischen den Teilnehmenden entspann sich ein intensives Gespräch über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und den Wert von Erinnerungskultur.

Letzte Station war der Gedenkstein am Gries – ein von der Akteursrunde und dem Demokratie_laden initiierter Erinnerungsort, der Ende 2023 eingeweiht wurde. Die Patenschaft für diesen Stein hat der TVVdN-BdA übernommen. Hier, nahe dem vermuteten Ort der Bücherverbrennung, wurde das Gedicht „Chor der Geretteten“ von Nelly Sachs vorgetragen – ein kraftvoller, schmerzvoller Text, der das Überleben ins Wort bringt und eindringlich die Frage stellt: „Was heißt Verantwortung heute? Für Erinnerung, für Sprache, für eine offene Gesellschaft?“

Der Nachmittag klang aus mit einem Ausblick: Auf neue Projekte im Demokratie_laden wie die Margarethe 2025 und auf weitere Gedenkveranstaltungen und Austauschrunden.

„Bücher haben überlebt – selbst dann, wenn ihre Seiten einst in Flammen standen. Sie müssen nicht nur gelesen, sondern auch verteidigt werden.“

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